Ringvorlesung dESIGN12+ #9: Beobachten, Erinnern und Bildermachen in der „Reportage-Zeichnung“

22.06.2022 / 18:00 - 19:30

Wir laden herzlichst ein zu unserer
Ringvorlesung dESIGN12+ #9 
am Mittwochabend, 22. Juni, ab 18 Uhr (CET)
mit CLEMENS KRÜMMEL (Berlin)
moderiert von VProf. Achim Mohné
 
Please see Englisch version below.
 
Clemens Krümmel, Berlin:
“Beobachten, Erinnern und Bildermachen in der „Reportage-Zeichnung“”
 
Welche visuellen Erinnerungen behalten wir von unserem Leben? In welchen Bildern vermittelt sich das Zusammenleben in einer Gesellschaft? Heute haben sich digitale Bildtechnologien weit in den Vordergrund subjektiver und kollektiver Erinnerung geschoben – mit ihrer Hilfe füttern die meisten von uns vernetzte Bilddaten-Plattformen, in denen private und politische Bilder und Meme unterschiedlicher Komplexität miteinander konkurrieren. Schon sehr lange – seit dem 19. Jahrhundert – haben sich also unter den Techniken visueller Zeugenschaft die fotografisch und filmisch basierten Verfahren durchgesetzt. In diesem Vortrag sollen „analoge“ künstlerische Techniken aus einer parallelen Geschichte präsentiert werden: Mit unterschiedlichen Formen der „Reportage-Zeichnung“ wird eine andere, künstlerische Tradition der Zeugenschaft jenseits fotografischer Wahrheitskriterien vorgestellt werden, mit einem historischen Vorlauf aus dem Entstehungszeitraum der Bildindustrien und der Pressezeichnung, vor allem anhand aktueller Beispiele, die der Subjektivität der Wahrnehmung historischer Prozesse einen ganz anderen Geltungsbereich als die Web-Realität eröffnen. Die moderne und nachmoderne Kunstgeschichte hat im 20. und 21. Jahrhundert immer wieder auf handwerkliche Techniken der repartierenden Zeichnung zurückgegriffen, und sie in Presse, Comics und Bildgeschichten, aber auch in klassischen künstlerischen Zeichnungsformen parallel, aber nicht unabhängig vom chemischen und digitalen Bild, weiterentwickelt. Dabei ist es unter anderem immer wieder um die Frage nach der „Direktheit“ der Reportage-Zeichnung gegangen. Der Vortrag geht vor allem der Frage nach, welche Horizonte die bildende Kunst zwischen dokumentgestützten Zeichnen, Erinnerungszeichnen und „Live-Zeichnen“ bis heute abgeschritten hat – und welche Relevanz künstlerische Zeichnung noch heute in der weltweiten Bildwirtschaft der Realitätsverständigung beanspruchen darf.
 
Clemens Krümmel lebt und arbeitet in Berlin und arbeitet als Kunsthistoriker, freier Kurator, Autor und Übersetzer. Studium der Kunstgeschichte und Philosophie an der Universität Bonn; kuratorischer Assistent am Karl Ernst Osthaus-Museum, Hagen 1987–1994. Redakteur der Zeitschrift „Texte zur Kunst“ 2000–2006. Seit 2005 Mitarbeiter des Melton Prior Instituts für Reportagezeichnung, Düsseldorf (mit Alexander Roob) und Mitherausgeber der Buchreihe „Polypen“, b_books Verlag, Berlin) (mit Sabeth Buchmann, Helmut Draxler und Susanne Leeb). Zuletzt wissenschaftlicher Mitarbeiter am Kunstraum der Leuphana Universität Lüneburg.
 
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Clemens Krümmel, Berlin
Observing, Remembering, and Image-Making in "Reportage Drawing
 
What visual memories do we retain of our lives? In which images does the coexistence in a society convey itself? Today, digital image technologies have pushed themselves far into the foreground of subjective and collective memory - with their help, most of us feed networked image data platforms in which private and political images and memes of varying complexity compete with each other. For a very long time then - since the 19th century - photographic and film-based processes have prevailed among the techniques of visual witnessing. In this lecture, "analog" artistic techniques from a parallel history will be presented: With different forms of "reportage drawing," another artistic tradition of witnessing beyond photographic truth criteria will be presented, with a historical antecedent from the period of the emergence of the image industries and press drawing, especially using current examples that open up a very different scope than web reality for the subjectivity of the perception of historical processes. In the 20th and 21st centuries, modern and post-modern art history has repeatedly resorted to artisanal techniques of reparative drawing, developing them further in the press, comics, and picture stories, as well as in classical artistic forms of drawing parallel to, but not independent of, the chemical and digital image. Among other things, this has always been about the question of the "directness" of reportage drawing. The lecture will primarily explore the question of which horizons the visual arts have traversed between document-based drawing, memory drawing, and "live drawing" to this day - and what relevance artistic drawing can still claim today in the global image economy of understanding reality.
 
Clemens Krümmel lives and works in Berlin, and works as an art historian, freelance curator, author, and translator. He studied art history and philosophy at the University of Bonn; curatorial assistant at the Karl Ernst Osthaus Museum, Hagen 1987-1994. Editor of the journal "Texte zur Kunst" 2000-2006. Since 2005 staff member of the Melton Prior Institute for Reportage Drawing, Düsseldorf (with Alexander Roob) and co-editor of the book series "Polyps," b_books Verlag, Berlin) (with Sabeth Buchmann, Helmut Draxler and Susanne Leeb). Most recently research assistant at the Kunstraum of Leuphana University Lüneburg.